Endlich war es soweit! Am 8. April 2004 ging das lang
erwartete Konzert der Underground Crew Atmosphere aus dem Bundesstaat
Minnesota in Wil über die Bühne. Das Konzert war Teil der Seven’s Travels
Tour. Bevor ich jetzt aber schon ins Schwärmen gerate, möchte ich gleich als
erstes mein Lob an die Remise und Rouven aussprechen. Wie immer haben die
Leute um die Remise einen genialen Event ins Leben gerufen und ihn souverän
über die Bühne gebracht. Ebenfalls vielen Dank an Sandra von der Phonag AG,
die es mir ermöglicht hat, ein Interview mit Slug zu führen.
Andrang wie bei Winterschlussverkauf: Draussen
eine Schlange, drinnen eine Schlange (leider verwackelt, aber stellts euch
vor!)
Einige Leute in der Schweiz begeistern sich bereits seit Jahren für die
Indie-Crew um Slug. Mit seinen zahlreichen Releases hat er in Europa,
ähnlich wie Sage Francis, vor allem übers Internet für Furore gesorgt, und
sich so auch verbreitet. Slug ist einer von vier Mitbegründern (Slug, Musab
(früher Beyond), Ant und Sadeeq) des wohl komplettesten Indie-Labels in den
Staaten: Rhymesayers Entertainment. Das Kollektiv sorgt schon seit Jahren
für qualitativ hoch stehende Releases und ist eine sehr gute Adresse für
intelligenten Rap, zu vergleichen mit den Living Legends oder dem Def
Jux-Kollektiv. Für die Leute, die seit Jahren an Slugs Lippen hängen
(bildlich gemeint), hat das Remise-Team es möglich gemacht, einen der besten
und überzeugendsten MCs der Underground- und Independent-Szene endlich auch
live in der Schweiz zu erleben. Für manch einen ist damit ein Traum in
Erfüllung gegangen, oder man konnte wenigstens etwas aus seiner Wunschliste
streichen. Nachdem die Living Legends, die Def Jux-Leute, die Shapeshifters
und noch viele mehr bereits in der Schweiz waren, kann man sich jetzt ja auf
Eyedea & Abilities freuen (sie überzeugen mit dem neuen Album E&A, ebenfalls
auf Epitaph), die hoffentlich als nächste Rhymesayers-Crew den Weg zu uns
finden wird.
Angefangen hat das Konzert mit dem sehr gelungenen Auftritt von Dank Göldin
und Bit-tuner. Dass das Album genial ist und sehr noch mehr für die Zukunft
erwarten lässt, war mir bereits klar, aber dass seine Bühnenauftritte das
Album übertrumpfen, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Meine
Vorstellungskraft wurde dann auch schnell eines Besseren belehrt. Es war für
mich es das erste Mal, dass ich Dani Göldin live auf der Bühne sehen durfte
und es hat mich stark beeindruckt. Die Präsenz und das Charisma, dass diesen
Mann umgibt, fesselte mich regelrecht an seine Lyrics und die Beats gefallen
mir live noch besser als im konservierten Zustand auf CD oder Vinyl.
Göldin hätte definitiv ein besseres Foto verdient. Aber es hatte so viele
Leute, dass ich durch den TV fotografieren musste... Auch hier gilt wieder:
Imaginieren geht über Studieren.
Nach dieser einheimischen Attraktion war die Reihe an den Skandinavier. Mit
Promoe war ein Mann auf der Bühne, den man seinem Aussehen nach wohl als
letztes dem HipHop-Genre zuordnen würde, aber nichtsdestotrotz gehört er
dahin. Bekannt wurde Promoe als Mitglied der erfolgreichen schwedischen
Combo Looptroop, die schon mehrere Auftritte in der Schweiz hinter sich
haben, unter anderem im Dynamo in Zürich, wo ich einmal die Möglichkeit
hatte, die ganze Crew zu sehen. Promoes Auftritt liess auf jeden Fall keine
Energie vermissen.

Promoe
(rechts) und sein lustiger Begleiter mit dem Jordan-Stirnband rocken die
Bühne heftigst.
Die Menge wartet gespannt auf Slug. Sehr
viele Leute. Unter ihnen Renzo. Und ein Clown, der mir auf dem Pissoir
freundlicherweise verriet, dass er Promoe diesmal nicht sooo gut gefunden
habe. Und dass jetzt dann "Atmosphere" komme, die müsse ich dann hören, weil
die verdammt gut seien. Mehr interessiert hat mich, dass das Licht leider
ausgefallen war im WC und dass man nur mit angeflammten Feuerzeug pissen
konnte. Aber auch das haben wir überlebt...
Mr.Dibbs zeigt den Leuten, wo Bartli den
Moscht holt: Kurzes, aber heftiges Set mit einigen Überraschungen!
Langsam näherte sich der Abend aber der
Hauptattraktion Atmosphere. Wie ich im Interview mit Slug erfahren habe,
bleibt sein Producer Ant zuhause, sobald Slug auf Tour geht. Slug sagt, dass
Ant sich nicht gerne unter Leute mischt und deshalb lieber zuhause bleibt
und an seinen Beats weiter arbeitet. Er überlässt es Slug und Mr. Dibbs,
Atmosphere on the road zu repräsentieren. Mr. Dibbs ist einfach ein
Bestandteil der Tour-Band Atmosphere und versucht das Ausbleiben von Ant mit
seiner Anwesenheit zu lindern. Mehr dazu kann man im Interview mit Slug
erfahren. Zusätzlich war da ja auch noch der Living Legend-Mann Luckyiam.PSC
vor Ort, der Slug auf der Bühne zur Seite stand. Bei gewissen Tracks empfand
ich die Anwesenheit von PSC auf der Bühne aber als eher störend, bei andern
passte er ins Konzept.

Schade war, dass Slug einige Tracks aufgrund des fehlenden Textwissens bei
den Zuhörern einfach abbrach und dann mit einem andern Song weiterfuhr. So
geschehen bei meinem Lieblingstrack Today vom Lucy Ford Album, als Slug von
der Meute zwei Wörter benötigte - morning masturbation - aber nur einzelne
verirrte Stimmen den Weg bis zu Slugs Ohren fanden. Allen, die den Track
nicht gekannt haben, empfehle ich, sich sofort das Lucy Ford Album
zuzulegen, welches meiner Ansicht nach auch jetzt noch das beste Release von
Atmosphere ist. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Abgesehen
von dieser kleinen Sache vermochte Slug durch seine starke Bühnenpräsenz zu
überzeugen. Er wird von einem unbeschreiblichen Schimmer umgeben, wenn er
seine Lyrics auf die Zuhörer loslässt. Dies kann man sich auch nochmals vor
Augen führen lassen, wenn man sich die Tour-DVD Sad Clown Bad Dub 4 zu
Gemüte führt. Es ist eindrücklich zu sehen, mit welcher Leichtigkeit Slug
sich auf der Bühne bewegt. Auf der DVD sind auch In-Store Auftritte aus den
Staaten zu sehen, wo Atmosphere vielleicht vor 30 Leuten eine Show zum
Besten gibt.
Genau, die Fotos könnten besser sein... aber was will man machen? Slug und
PSC beim Auftritt. Besonders geil war die "Killing in the Name" -Einlage,
besonders für alte RATM-Fans wie mich. Und auch die PSC - Solostücke
rockten, auch wenn ich mich manchmal fragten, wieso er sie an einem
Atmosphere-Konzert spielt. Schliesslich hätte es ja beim besten Willen noch
mehr genug spielenswerte Slug Tracks gegeben, besonders vom älteren
Material. Aber egal.
Leider ging das Konzert seinem Ende zu schnell entgegen und das Erlebnis
Atmosphere war bereits wieder vorüber. Man kann sich aber natürlich schon
auf ihren nächsten Auftritt freuen, denn mit The Baby Farmer soll anfangs
des nächsten Jahres schon wieder ein neues Album auf den Markt kommen,
welches sicher auch von einer Europa Tour begleitet werden wird. Wenn Slug
die Leute in der Schweiz nur annährend so sehr in sein Herz geschlossen hat
wie die skandinavischen Mädchen, können wir uns sicher sein, dass es ein
Wiedersehen geben wird. Ich freue mich bereits darauf.
home
|