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sage francis - personal journals  

 

 

 

Sage Francis - Personal Journals (2002, Anticon)

Auf dieses Album habe ich lange gewartet und das mit grösster Spannung. Dass ich von dem Album nicht enttäuscht bin, freut mich am allermeisten. Für mich ist es eines der besten Alben, die überhaupt je auf den Markt gekommen sind, zusätzlich hat Sage an die interessierten Hörer gedacht, und ein Booklet von höchstem persönlichen Inhalt erstellt - er hält Gedanken auf Papier fest, und lässt uns dadurch noch tiefer in sein Inneres sehn. Was mir besonders gefällt und zusagt sind die Emotionen, die Sage das Album hindurch mit sich trägt: gefühlvoller Hass, gehässige Liebe, Verücktheit, Rationalität - alles ist vorhanden. Sage geht noch ein wenig tiefer in das innere des menschlichen Verstandes und Herzes. Man weiss jede Sekunde, wofür man sein Geld ausgegeben hat, und es reut zu keinem Zeitpunkt.

Eingeleitet wird das ganze Album von dem Statement: "To all the people who said I wouldn't last / don't make me laugh!". Von der Aufnahmequalität her erinneret dieses kurze "Intro" an Sage's Vorgängeralben aus der "Sick of..."-Serie, auf den verschiedene Live-Auftritte mit und ohne AOI (Sage's Band) zu horen sind, und auch diverse Freestyle Sessions, die in Radiosendungen entstanden sind, mit so namhaften Rappern wie Slug, Eyedea, Aesop Rock, Ilogic und anderen. Wer sich so ein Freestyle Stück anhören möchte, sollte sich unbedingt einmal den Orphanage Freestyle Part I anhören. Für Witz und Wortwitz ist auf jeden gesorgt.

So, nun aber wieder zurück zu Track 1, "Crack Pipes", der eine so geile Gitarrenbegleitung hat, dass es unmöglich ist, den Track weiterzudrücken. "Meet me at the cross roads where the lost souls get indecisive, meet me at the cross roads so I can have someone to walk into the light with" - allein diese Zeilen sind so voll Gehalt und Emotionen, dass sich jeder Kommentar erübrigt. Sage sagt dazu: "Perhaps it was the amount of stress I was under that made me react so strongly, but the first and only time in my life I was moved to tears over the mere sound of a guitar" - und so ähnlich erging es auch mir. Auch der Beat ist absolut geil, fast schon ein Drum-Gewitter.

Im zweiten Track, der so nebenbei bemerkt auf dem selben Sample aufbaut wie "Crack Pipes", drückt Sage das Gefühl seiner Existenz aus: "I am different, in a different way, the only thing that stays the same is change, while people claim their states, I state my claims. I'm a quiet natured player who outwardly hates the game." Sage ist wohl "anders", aber nicht durch experimentelle und abgedreschte Beats, oder womit sich andere Emcees einzigartig machen wollen, sondern allein durch seine Persönlichkeit, seine Energie, seine Gefühle, seine Ehrlichkeit, seine Tiefgründigkeit, seine Liebe, sein Hass - einfach alles ist "different". Und seid euch sicher, dass: "By the end of this record I make sure all of y'all know who Sage Francis is."

"Personal Journalist" ist ein ein ganz emotionaler Song über einen "avant guardian angel". Sage ändert den Track hindurch die Intensität und Aggressivität seiner Stimme, passend zu Beat und Sample. Dieser Track ist sozusagen eine Anklage an sich selbst; Sage spricht zu sich in der dritten Person.

"Inherited Scars" ist einer meiner absoluten Lieblingstracks auf dem Album. Der Track kommt nicht ganz an die Intensität von "The Rewrite" ran, doch auch in diesem Track sind ungefähr die selben Emotionen vorhanden. Untermalt wird der Track von einer Trompete oder einem Saxophon, eine Ohrenweide, entschuldigt bitte die Wortkreation, aber es ist wohl the sweetest trumpet, die ich je gehört habe. Textmässig kann ich nichts dazu sagen, das müsst ihr selbst hören, und vorallem seinen Kommentar dazu lesen.

"Climb Trees" - Sage: "No one has caught on yet, but this song is about the anti-christ." Der Track hat einen geilen Beat, der immer wieder marschmässig Tempo macht, und ist bestimmt einer der besten Songs auf diesem Album, obwohl eigentlich wirklich jeder Track ein Hammer ist.

Der Track "Broken Wings" erinnert mich sehr stark an Udo Lindenberg's "Cello", wo Udo ebenfalls einer jungen Künstlerin an ihre Auftritte folgt. "She's a fairy with broken wings, I used to watch her perform, and if she hears me, I hope she sings songs." Sage erzählt uns von seinen Begegnungen mit dieser Fee mit gestutzten Flügeln und ihren Gemeinsamkeiten. "Me and you, we don't need wings to fly!" Solche Statements erwecken in mir Gefühle, die ich einfach nicht auf Papier festhalten kann.

Den Produzenten des nächsten Tracks "The Strange Famous Mullet Remover" hat Sage an einer seiner Shows in Milwaukee kennengelernt. Ein Junge namens Reanimator hat an diesem Konzert einen Mitschnitt von Sage's "Mullet", einem Spoken Word Track, gemacht. Mit einem Teil eines Beats, den er auf einem Beat-Tape von Mike 2600 gefunden hat, und einem Beat, den er selbst gemacht hat, verband er verschiedene Worthäppchen aus dem Spoken Word Stück, und band zusätzlich noch Sage's Beatbox mit ein.

"Message Sent" wurde von Alias, den manche wohl schon kennen, produziert. Thematisch kreist der Track um Beziehungen - Anfang und Ende. "I've got some letters inside of my drawer that should have been stamped and delivered. One is addresse to my ex and says I'm the type of man who can't be lived with, one is addressed to my friends and says I'm a mess so y'all can't visit, one is addressed to myself but I don't know which personality or hand to give it. I'm a goddamn misfit, mismatched, but never missed much!" In seinen Zeilen erkenne ich mich eigentlich immer in einem gewissen Mass wieder. Diesen Track könnte ich mir wohl unendlichlange reinziehen und er würde mieinem Ohr immer wieder von neuem gefallen.

Auf diesen so melodiösen Track folgt nun Odd Nosdams eher düsterer Beat zu "Eviction Notice". Der Text hält sich sehr nahe am musikalischen Ausdruck - "it's about how drugs are the gateway to fun."

"Pitchers of Silence" ist für mich der Track, der die grösste Energie mit sich bringt, der Beat von Sixtoo passt wie ein Deckel auf den Kochtopf. "I never held a funeral for the big part of me that died, I need to put these thoughts to rest, I need to find a peace of mind, I need to peace my mind, find a peace of mind to rest in!"

Umso mehr man sich mit Sage und dem Album beschäftigt, umso eher versteht man seine Gefühle, seine Aussagen, und seine Kraft Menschen verschiedene Emotionen zu implantieren.

"Specialist" beinhaltet wiedermal eine Gitarre und die für mich am besten zu Sage passenden Beats, der wieder eher unruhig und beschäftigt ist. "I Spread my love like the legs of a crack whore, we sleep toghether but don't seem to keep it simple, you dance around me like a fire, blow me out, when I send you love poems in the form of smoke signals!"

"Hopeless" ist ein Spoken Word Stück, das typisch für die emotionale Aussagekraft von Sage Francis ist, und es auch mit einer typischen Schlussbemerkung verklingen lässt: "It's hopeless, it's hopelessness holding this, open this to blow a kiss to close your lips but don't get pissed and throw a fist at this vocalist, I'm not emotionless, in fact I broke my wrist when I wrote the list of all those I miss. This is my poker face. Mr. Feel Nothing.“

"Kill ya' Momz" ist ebenfalls wie schon "The Strange Famous Mullet Remover" aus Wortbrocken des Spoken Word Pieces "Mullet" entstanden. Mr. Dibbs lässt eine beängstigende Atmosphäre entstehen, und zieht uns mit diesem Instrumental in die tiefsten Gefilde seines Reichs.

"Black Sweatshirt" ist eine Ode an einen schwarzen Sweater aus Sage Fran's Kindheit. Dies ist wohl der langsamste Track auf dem ganzen Album, sehr ruhig und einfühlsam. Der Beat ist ganz elementar und unauffällig.

In "Cup of Tea" verarbeitet Sage Francis seine Angst vor Geistern, natürlich in einem schönen Klangkostüm. Sage zitiert in seinem Booklet ein Gedicht von Edgar Allen Poe: "He thrusts his fists against the post and still insists he sees the ghosts." Für mich sagt das Gedicht in etwa aus, dass Geister nicht in Wirklichkeit existieren, sonder erst in unseren Köpfen entstehen, und sich dann festsetzen. Von diesem Gedicht hat sich Sage wohl einen Happen abgeschnitten, und seinen Text auf dem Grundgedanken dieses Gedichts aufgebaut, oder vielleicht war das Gedicht auch nur eine Initialzündung, die Sage veranlasst hat, diese Geister zu behandeln. Geister sind ja immer wieder ein Thema, vielleicht weniger im Rap, doch sehr häufig in der Literatur, man lese nur mal Shakespeares Stücke.

"My Name is Strange" ist mein Lieblingstrack, obwohl es kein Rap-Track ist. Wie Mos Def oder Biz Markie lässt sich Sage auf ein Stück mit Gesang ein, und bekommt von mir die höchstnoten. Ob man das, was er macht als singen bezeichnen kann, überlass ich den Mannen und Frauen, die selbst singen können. Hauptsache ist, dass das Gefühl bis zu uns dringt. Der Track ist eine Live-Aufnahme mit seiner Band AOI, die sich früher Art Official Intelligence nannte, und aufgrund des DeLaSoul Albums in die Kurzform umgetauft wurde.

Der letzte Track "Runaways", dessen Thematik im Titel steckt ("How many images of missing kids ca be fit onto a milk carton?"), rundet das Album mit einem klavierunterstützten Beat ab. Das ist die einzige Collabo mit Langzeit-Kollege Joe Beats, der wie Sage aus Rhode Island stammt, und auch der erste Produzent war, mit dem Sage zusammengearbeitet hat. Sage und Joe formen zusammen die Crew Non-Prophets. Joe ist ein eigentlicher Anticon Gegner, doch da sie zusammen wirklich schon durch dick und dünn gegangen sind, wollte Sage unbedingt mindestens einen Beat von Joe auf seinem Soloprojekt, und es wurde die abschliessende Produktion des Albums. "And I know, state is not an ocean. Not an Island. Not a Rhode. If I don't know where I come from, how will I know where to go? It's not where you from or where you at. Is where you going! And I am going home...!"

Je mehr ich das Album höre, umso besser gefällt es mir. Wenn ich meine Lieblingstracks aufzählen müsste, würde hier jetzt die Tracklist stehen, weil einfach jeder Track ein Hammer ist, sowohl textlich als auch musikalisch. Bei gewissen Tracks dauert es vielleicht ein paar Stunden länger bis man den Zugang gefunden hat, aber es lohnt sich Geduld zu haben. Würden wir Mics oder Noten verteilen, hätte dieses Album in meinen Augen ganz klar die Höchstnote verdient.

 

renzo

   
 

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1. Crackpipes
2. Different
3. Personal Journalist
4. Inherited Scars
5. Climb Trees
6. Broken Wings
7. The Strange Famous Mullet Remover
8. Smoke and Mirrors
9. Message Sent
10. Eviction Notice
11. Pitchers of Silence
12. Specialist
13. Hopeless
14. Kill Ya Momz
15. Black Sweatshirt
16. Cup of Tea
17. My Name is Strange
18. Runaways

 
 
         

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